Spiegelwelt, Buch 3:
Der Weg des Verstoßenen
von Alexey Osadchuk
Kapitel 1
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Die Nachricht leuchtete in ätzendem Rot.
Ich fühlte mich, als würde ich gleich den sprichwörtlichen roten Knopf drücken.
Na ja, so weit würde es vielleicht nicht
kommen, aber trotzdem. Ich kannte einige Leute, die viel dafür gegeben hätten,
Zugang zu Spielerkonten der Spiegelwelt zu erhalten.
Das war ein weiterer, beträchtlicher
Nachteil von „Täglicher Grind“-Konten. Das Bronze-Programm erlaubte einem, vom
eigenen Computer aus auf seinen Char zuzugreifen, ohne in die Immersionskapsel
steigen zu müssen. Auch wenn das einzige in diesem Modus verfügbare Feature das
Dashboard des Spielers war, reichte dieses Tatsache schon aus, um sich freudig
die Hände zu reiben.
Jetzt konnte ich wenigstens meine E-Mail
abrufen und meine Screenshots auf einen Memostick speichern. Meine Mädchen
hatten mich immer wieder bestürmt, ihnen Boris und Strolch zu zeigen, aber bisher
war ich nie dazu gekommen.
Wie schade, dass ich keinen Computerzugang
zur Auktion hatte. Für derartige Vorzüge benötigte man mindestens ein
Silberkonto. Na ja. Ich musste mit dem arbeiten, was ich hatte.
Vicky hatte ihr Versprechen gehalten. Wir
hatten das Darlehen bekommen. Zu unserer großen Freude war das Geld bereits auf
das entsprechende deutsche bzw. japanische Bankkonto überwiesen worden. Das
neue Herz, das in Christina wuchs, war vollständig bezahlt.
Beim Anblick der Überweisungsbestätigung hatte
ich mich gefühlt, als hätte sich mein Rückgrat in Butter verwandelt.
Meine Frau Sveta war in Tränen ausgebrochen.
Ich hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr so gesehen. Sie war immer die Starke
von uns beiden gewesen. Aber an diesem Tag hatten uns unsere Gefühle
überwältigt.
Was für eine Schande, dass ich nicht bei
ihnen hatte sein können. Verdammte Ergotherapie! Nachdem ich 28 Tage lang
bewegungslos in der Kapsel gelegen hatte, war mein Körper so gut wie nutzlos
gewesen.
Meine Kurzsichtigkeit hatte sich
verschlimmert. Die ersten zwei Tage lang hatte ich geglaubt, ich wäre
erblindet. Seltsamerweise hatte mir das gar keine Angst gemacht. Irgendwie
hatte ich mich von dieser Tatsache distanziert. Hauptsache, wir hatten es
geschafft. Der Rest war nur Papierkram. Doch am Abend des dritten Tages hatte
ich aus meinem bequemen Rollstuhl heraus bereits den Anblick des
Sonnenuntergangs genießen können. Selbst die Tatsache, dass meine neue Brille
wesentlich stärkere Gläser hatte, störte mich nicht. Das war es mehr als wert
gewesen.
Ich wusste, dass es noch nicht vorbei war.
Ich würde sogar sagen, das war erst der Anfang gewesen.
Die Höhe des Kredits war schwer fassbar.
Die Banker waren wirklich großzügig mit uns gewesen. Sie hatten mir genau das
angeboten, worum ich gebeten hatte: eine Viertelmillion.
Das meiste davon ging für die Bezahlung von
Christinas Krankenhausrechnung drauf. Nachdem das erledigt gewesen war, hatte
ich sofort meine Schulden bei Schantarskis Bank bezahlt und mein Konto
geschlossen. Meine langfristige Bonität dort war mir schnurzegal. Ich wollte
nicht mal an diesen Typen denken.
Das Nächste auf meiner Einkaufsliste war
mein Bronzekonto. Das hatte mich 50 Riesen gekostet. Und weitere fünf
dafür, dass ich alle meine Charakterwerte behalten konnte. Meine Berufe, meine
Ausrüstung, meine Levels und Rep-Punkte, meine Rasse und meine Haustiere –
alles noch da und unverändert.
Nur schade, dass ich meinen Namen nicht
ändern konnte. Das war eine Option, die es in der Spiegelwelt nicht gab. Wenn
man dort als Olgerd geboren wurde, blieb man Olgerd.
Wollte man seine Rasse wechseln, war das kein
Problem, solange man genug Geld hatte. Es gab praktisch kein Attribut, das man
nicht ändern konnte, wenn einem der Preis nichts ausmachte. Praktisch keines
außer dem Spielernamen eben. Auch wenn das Spiel zahllose kurzfristige
Anonymisierungsoptionen bot – natürlich wieder gegen ein entsprechendes
Entgelt.
Die fünf Riesen, die ich für den Erhalt
meiner Werte gezahlt hatte, waren sowieso schon ein reduzierter Preis gewesen.
Normale Spieler mussten dafür mehr hinlegen. Vicky war an diesem Tag besonders
großzügig gewesen. Wenn man ihr glauben durfte, hatte ich Glück gehabt, dass
ich genau zu jenem Zeitpunkt zu ihr gekommen war. Ein halbes Jahr zuvor wäre
der Zinssatz noch wesentlich unattraktiver gewesen.
Apropos Zinsen: Wir hatten uns auf
11 % geeinigt. Wobei „geeinigt“ eher eine Übertreibung war. Sie hatte mir
einfach nur gesagt, dass sie mir nichts Besseres anbieten konnte. Und hatte
hinzugefügt, dass sie mir damit ohnehin schon entgegenkamen.
Die Summe war schwindelerregend. Ich
schaffte es, sie dazu zu bringen, einer Rückzahlung über zehn Jahre
zuzustimmen. 3.500 im Monat. Dimitri hatte recht gehabt: Die Spiegelwelt
war der einzige Ort, an dem ich so viel Geld verdienen konnte.
Ohne zu zögern unterschrieb ich den
Vertrag. Alles in allem musste ich über 400.000 zurückzahlen. Das war mir egal.
Ich hatte mein Hauptziel erreicht. Christina würde überleben!
Und das Darlehen ... nun ja, darum
würde ich mich kümmern müssen. Ich hatte da schon ein paar Ideen.
Oh, und noch etwas. Die Versicherung.
Bevor ich den Vertrag unterzeichnete,
musste ich eine Lebens- und Krankenversicherung abschließen. Wenn mir jetzt
etwas zustieß, würde die Bank trotzdem ihr Geld zurückbekommen. Trotzdem machte
mir Vicky mit unbewegter Miene deutlich, dass sie an diesem Szenario keinerlei
Interesse hatten. Weswegen mein nächster Login von ihrem hochmodernen
Modulzentrum aus unter der Aufsicht mehrerer Mediziner stattfinden sollte.
Das ergab durchaus Sinn. Zuerst musste ich
tun, was ich tun musste. Danach konnte ich dann getrost sterben. Irgendetwas
sagte mir, dass ihnen dieses Szenario gar nicht so unrecht wäre. Erst
hatte ich gedacht, dass mir meine Paranoia einen Streich spielte, doch nein:
sowohl Dimitri als auch Sveta sagten mir mehr oder weniger dasselbe.
Ab sofort würde ich also gut auf mich
aufpassen. Ich musste ihre Ergotherapieeinrichtungen in vollem Umfang nutzen.
Und noch einmal in erweitere Immersion zu gehen, sollte mir nicht mal im Traum
einfallen. Ich sollte wirklich anfangen, regelmäßig ihr Fitnessstudio und ihr
Schwimmbad zu besuchen. Dimitri hatte Sveta versprochen, ein Auge darauf zu
haben, dass ich das auch wirklich tat. Er hatte so ausgesehen, als ob es ihm
ernst damit war.
Login erfolgreich!
Ausgezeichnet. Man musste schon sagen, die
Spielentwickler nahmen den Schutz der Daten ihrer Kunden sehr ernst. Ich konnte
mein Dashboard nicht einfach so öffnen: Ich brauchte einen ID-Authentifikator
oder auch „IDA“, wie Dimitri es nannte. Das war ein kleines Dingens, das ein
bisschen wie ein Smartphone mit Computerverbindung aussah.
Wenn man sein Passwort eingegeben hatte,
verlangte das Gerät, dass man seinen Daumen auf ein Sensorfeld drückte, damit
es den Fingerabdruck scannen konnte. Danach musste man gerade sitzen und durfte
nicht blinzeln, während die Kamera die Iris scannte.
Als nächstes forderte die Kiste einen auf,
bestimmte Worte auszusprechen. Dimitri sagte, das diene dazu, die Stimmlage zu
überprüfen und gegebenenfalls zu erkennen, ob sie Angst oder Anspannung
verriet. Konnte ja sein, dass man mit vorgehaltener Pistole zum Aufruf des
Dashboards gezwungen wurde. Wenn das System Verdacht schöpfte, schickte es die
Daten an das Sicherheitspersonal des Hauptservers weiter. Einfach ausgedrückt
war das eine teuflisch nützliche kleine Maschine.
Gut. Ich war eingeloggt. Schnell warf ich
einen Blick auf meine Sachen, um zu überprüfen, ob alles da war. Es war okay.
Weiter.
Mein Posteingang blinkte mich mit seinem
kleinen Licht an, als wollte es sagen, Komm schon, Meister, öffne mich
endlich!
Hah. Leicht zu erraten, was mich da drin
erwartete. Lady Mels Vertreter hatten bereits Dimitri kontaktiert und
freundlich nachgefragt, warum ich nicht zur Arbeit erschienen war. Sie waren
verpflichtet, nett zu uns zu sein, weil in meinem Vertrag stand, dass ich nach
gewonnener Menge bezahlt wurde. Quasi wie ein Freiberufler. Ich hatte ihre Mine
sozusagen gepachtet und meldete die Ressourcen, die ich dort gewonnen hatte,
an, um entsprechende Vergütung zu erhalten. Es gab keinen festgesetzten Lohn.
Ich schuldete niemandem etwas und bestimmte meinen eigenen Zeitplan. Das war
die erste Bedingung gewesen, die ich mit Weigner besprochen hatte. Was, wenn
ich alles stehen und liegen lassen musste, um an der Seite meiner kranken
Tochter zu sein? Darum war das aus meiner Sicht eine der Hauptklauseln des
Vertrags. Und hätte ich nichts von den verborgenen Zielen meiner Bosse gewusst,
wäre ich vielleicht sogar gerührt von ihrer Rücksichtnahme gewesen.
Als Dimitri es ihnen erklärt hatte, hatten
sie aufgehört, ihn zu nerven. Für einen Spiegelweltspieler ist Ergotherapie
etwas Heiliges, besonders nach einem einmonatigen Immersions-Job. Tatsächlich
hatte die Frau, die ihn angerufen hatte, unauffällig versucht, herauszufinden,
in welches Zentrum ich gebracht worden war. Worauf Dimitri, brüsk wie immer,
sie daran erinnert hatte, dass er als Mitarbeiter der Firma nicht berechtigt
war, vertrauliche Informationen weiterzugeben. Und dass er, wenn so etwas noch
einmal vorkam, gezwungen wäre, den Vorfall der Sicherheit zu melden.
Als Dimitri mir das alles erzählt hatte,
war ich überrascht gewesen, dass die Sekretärin – oder wer auch immer die Frau
gewesen war – offenbar wirklich Muffensausen gekriegt hatte. Sie kam mit
Ausflüchten an und behauptete, sie seien nur besorgt um ihren besten Arbeiter
und würden gern wissen, ob er Hilfe brauchte. Aber klar doch. Sich mit den
Bossen des Glashauses anzulegen war keine gesunde Idee.
Ich fand den Gedanken sowohl gruselig als
auch beruhigend. Ich fühlte mich wie einer dieser winzigen Schiffshalterfische,
der einen weißen Hai begleitete: Gerade schien der Hai keinerlei Interesse an
dem kleinen Fischchen zu haben, konnte aber doch jeden Moment zuschnappen. Die
Vorteile dieser Situation: Andere, kleinere Haie trauten sich nicht in meine
Nähe. Nachteile: Selbst wenn er meine kulinarischen Qualitäten freundlicherweise
ignorierte, konnte mein Hai mit einem einzigen Flossenschlag in die Tiefe
abtauchen, wohin ich ihm nicht folgen konnte, und mich so den kleineren
Raubfischen überlassen, die nur darauf warteten, mich zu zerfetzen.
Ich öffnete meine Post.
Da. Genau wie ich es mir gedacht hatte.
Drei Briefe von Weigner und noch einer von
meinem neuen sogenannten Freund Tanor. Auch Onkel Wanja hatte mir ein paar
Worte geschickt.
Da hatte sich in nur 48 Stunden ganz
schön was angesammelt.
Hah. Dann sollte ich wohl besser mit Onkel
Wanja anfangen.
Hi,
Was zum Henker ist mit Euch los? Wir
wollten uns doch treffen, oder nicht? Nie erreicht man Euch. Wir machen uns
Sorgen.
Sagt Bescheid, wenn Ihr wieder online seid.
Euer Anteil der Dunklen-Beute ist bei mir
in Sicherheit.
Gut. Das war ziemlich klar. Die Jungs
mussten den Braten gerochen haben. Ich musste eine Entscheidung treffen, wie
ich auf ihre Fragen antworten wollte. Nun gut. Das war nichts Ernstes. Sobald
ich wieder im Spiel war, konnte ich ihm schreiben und ihm sagen, dass ich bei
der Krankengymnastik gewesen war. Wenn ich das jetzt tat, würden sie zwei und
zwei zusammenzählen und mein Kontowechselspiel durchschauen.
Jetzt zu Weigner.
Sein Ton wuchs sich im Lauf seiner drei
Briefe zu verschiedenen Stadien der Hysterie aus. Der Mann war in Panik. Ihm
saßen vermutlich seine Vorgesetzten im Nacken. Das machte wohl einen ähnlichen
„Krankengymnastik“-Brief nötig, nur um ihn zu beruhigen. Den würde ich später
schreiben müssen. Nicht jetzt. Vielleicht würde ich auch das Telefongespräch
mit Dimitri erwähnen, nur um Weigner zu beschwichtigen. Ich hatte keine Ahnung,
welche Rolle er im Clan der Steel Shirts einnahm, aber er war okay.
Und zu guter – oder nicht so guter? – Letzt
Tanors Nachricht.
Mein lieber Olgerd,
Nach Eurem plötzlichen und langanhaltendem
Verschwinden wage ich zu vermuten, dass Euer Immersionszeitraum abgelaufen ist.
Unserem Informationsstand nach habt Ihr in dem Versuch, die nötigen
Reputationspunkte mit Mellenville zu beschaffen, fast einen Monat im Spiel
verbracht. Es wäre logisch, anzunehmen, dass Ihr Euch aktuell in Ergotherapie
befindet.
Ich bezweifle keine Sekunde, dass die Bank
Euren Kreditantrag abgelehnt hat. Wie ich es Euch ja vorausgesagt hatte.
Zu schade. Ihr habt so viel Zeit
verschwendet. Findet Ihr nicht?
Nun gut. Ihr müsst Euch jetzt etwas
ausruhen. Lasst Euch Zeit. Kommt wieder zu Kräften. Wir freuen uns darauf, Euch
wiederzusehen.
Für den Fall, dass Ihr euch zufällig früher
als erwartet einloggen solltet, möchte ich Euch wissen lassen, dass Ihr Euch um
das Geld keine Sorgen machen müsst. Die Summe, die Ihr benötigt, wartet hier
bereits auf Euch.
Wenn Ihr die Einzelheiten besprechen
möchtet, können wir uns auch IRL treffen. Ich bin mir recht sicher, dass Ihr
das Geld sofort benötigt. Gebt einfach Bescheid, wo wir Euch finden können, und
wir werden da sein.
Erinnert Ihr Euch, dass ich Euch vom Hightech-Modulzentrum
unseres Clans erzählt habe? Wir könnten Euch jederzeit dorthin verlegen lassen
– noch heute, falls Ihr das wünscht.
Soeben habe ich erfahren, dass in der
Schatzkammer unseres Clans ein vollständiges, nagelneues Meisterausrüstungs-Set
auf Euch wartet. Angeblich handelt es sich um das Beste, was derzeit verfügbar
ist. Haltet Ihr das nicht für cool?
Ich hoffe, es ist mir gelungen, Euch etwas
aufzuheitern.
Wir freuen uns auf Eure Rückkehr.
Tanor
Aufheitern, ja, klar doch. So könnte man es
nennen.
Also hatte ihr Clan das sprichwörtliche
Zuckerbrot ausgepackt. Sie taten ihr Bestes, mich nicht unter Druck zu setzen.
Das Geld lag bereit, und sie hatten sogar eine hübsche Ausrüstung für mich
aufgetrieben. Also dachten sie, die Bank hätte mir das Geld nicht gegeben? Das
war tatsächlich gut. Der kleine Hai, der sich bereit machte, das Fischlein
anzugreifen, hatte das riesige, reißzahnbewehrte Ungeheuer noch nicht bemerkt,
um das es herumschwamm.
Sollten sie ruhig glauben, dass sie mich in
der Tasche hatten. Inzwischen würden wir auf Zeit spielen. Dimitri konnte sie
leicht eine weitere Woche lang im Dunkeln halten und ihnen weismachen, ich sei
noch in Therapie und dürfe nicht online gehen. Bis sie beschlossen, auch die
sprichwörtliche Peitsche hervorzuziehen, musste ich bereit sein.
Ich hatte eine Woche Zeit, um mir die
Fähigkeiten der Kämpferklasse anzueignen. Je stärker ich war, desto besser
standen meine Chancen, im Niemandsland zu überleben.
Die gute Nachricht war, dass meine neue
Immersion ganz anders sein würde als die erste, als ich bildlich gesprochen mit
verbundenen Augen einen Sprung ins Dunkel gewagt hatte. Jetzt hatte ich das
alles schon einmal gesehen. Ich hatte mich im Spiel erprobt. Ich hatte
mitangesehen, wozu Kämpferklassen in der Lage waren. Unbedarften Newbs gegenüber
hatte ich jetzt eine Menge Vorteile.
Wenn ich Erfolg haben wollte, musste ich
zum Thema Kämpferklassen richtig gute Nachforschungen anstellen. Natürlich
konnte ich nicht alles durchlesen: Das Netz quoll über vor Informationen,
einige davon hilfreich, die meisten nutzlos. Ich beschloss, mich auf die
beliebtesten Quellen zu beschränken.
Zum Beispiel das Spiegelwelt-Wiki. Dort
fand man praktisch alles, was man über das Spiel wissen musste. Natürlich
teilte dort keiner irgendwelche wirklich wertvollen Informationsperlen, aber
trotzdem war es laut Rrhorgus‘ Sohn Max „rappelvoll mit coolem Zeugs“.
„So könnte man sagen“, murmelte ich,
während ich auf die Tabellen und Diagramme auf dem Computerbildschirm starrte.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“
Komisch, dass ich vorher noch nie hier
vorbeigeschaut hatte. Andererseits gab es heute so viele Seiten, dass man da
überhaupt keinen Überblick mehr hatte.
„Ich werde mich daran gewöhnen“, sagte ich,
um mich selbst aufzuheitern.
Selbst, wenn es mir gelang, nur die
Grundlagen herauszufinden, wäre das schon ein ansehnliches Ergebnis.
Nur schade, dass ich nicht auf meine
Klassen-Werte zugreifen konnte. Dazu musste man in voller Immersion sein. Laut
Dimitri war das eine Sicherheitsmaßnahme.
Was mich vor ein Problem stellte: Im Wiki
gab es nichts über Ennans. Absolut rein gar nichts. Mit anderen Worten, der
Einzige, der qualifiziert war, Einträge über Ennans vorzunehmen, war meine
Wenigkeit.
Also musste ich mich an meine „Cousins“
halten: an Zwerge und Gnome.
Mal sehen.
Ein Mausklick rief einen furchterregend
aussehenden, bärtigen Zwerg auf den Bildschirm. In seiner starken Rüstung
wirkte er zweimal so groß, wie er tatsächlich war, wodurch sein Kopf wiederum
unproportional klein aussah.
Und wie war das bei den Gnomen? So ziemlich
dasselbe. Wenn überhaupt, wirkten die noch bedrohlicher.
Als nächstes sah ich mir die für mich
verfügbaren Klassen an.
Ich wollte das Standardpaket. Nahkampf,
Magieangriffe, Fernwaffen, all so was.
Nahkampf war mehr oder weniger klar. Da
würde ich nicht besonders viel taugen, Punktum. Ich konnte mir nicht einmal
vorstellen, eine Zwergen-Streitaxt oder einen Gnomen-Hammer zu führen. Außerdem
waren schwere Waffen mehr als sinnlos, solange ich Boris hatte. Obwohl er auf
Level 0 war, verfügte er bereits über massenweise Ausdauerpunkte. Und wenn
seine Erfahrung erst einmal zunahm, und ich ihm eine maßgeschneiderte Rüstung
kaufte, was würde dann geschehen? Oh, nein, Nahkampf konnte ich vergessen.
Das war nicht das Problem. Das Problem war,
ich würde stets auf mich allein gestellt sein – und das auch noch weit hinter
den Feindeslinien, umgeben von den gefährlichsten Wildtieren, die im Spiel
existierten. Ich musste mich entscheiden, wie ich alles, was ich bereits hatte,
am gewinnbringendsten einsetzen konnte. Und tatsächlich hatte ich ja eine ganze
Menge.
Wäre ich Mitglied in einer etablierten und
– ebenso wichtig – starken Gruppe gewesen, wäre ich nicht vor diesem Dilemma
gestanden. Aber so musste ich darüber nachdenken, mein eigenes Team zu bilden,
das zwar klein sein mochte, aber doch vielversprechend.
Nach den Beschreibungen, die ich mir
stückchenweise aus allen möglichen Quellen zusammensammelte, waren alle
Reittiere gleichzeitig Kämpfer: stark, fit und extrem zäh. Sie waren Tanks, wie
man in der Gamer-Sprache sagte. Mit anderen Worten, mit Boris in meiner Gruppe
brauchte ich mich um Nahkampf nicht zu kümmern. Ich selbst passte noch nicht so
recht ins Bild – weder als schwerbewaffneter Krieger noch als leichter,
geschickter.
Ehrlich gesagt war mein erster Impuls, mich
auf die Magierklassen zu konzentrieren. So konnte Boris aus unseren Feinden
Hackfleisch machen, während ich ihn heilen und unterstützen konnte. Doch bei
diesem Gedankengang hatte ich unser letztes, aber keineswegs unwichtigstes
Teammitglied völlig außer Acht gelassen: Strolch. Im Rahmen seiner
Haustierklasse war es offenbar seine Aufgabe, die Gruppe magisch zu
unterstützen. Wenigstens sagten das die Spiegelwelt-Experten. „Gleichzeitig
Heiler und Prellbock“, wie es im Wiki formuliert war, schien Strolchs Potenzial
ziemlich genau zu beschreiben, nachdem ich es erst einmal in normale,
menschliche Sprache übersetzt hatte. Um es kurz auszudrücken, je höher mein
Level war, als umso nützlicher würde sich meine kleine Menagerie zeigen.
Ich hatte einen Tank. Und ich hatte einen
Prellbock/Heiler. Jetzt musste ich nur noch entscheiden, wie ich ins
Bild passte.
Mal sehen.
Ich klickte mich zu einem Bild von einem
Gnom in leichter Rüstung durch. Er hielt eine monströse Armbrust mit
Zielvorrichtung und einer Reihe kompliziert aussehender Zahnräder umklammert.
An seinem Gürtel hing eine Tasche voller Bolzen.
Sofort musste ich an den Angriff der
Calteaner in der Zitadelle denken, und an den Gnom, der gegen das „Stachelschwein“
gekämpft hatte. Er war der Letzte gewesen, der noch aufrecht gestanden war, als
alle anderen Spieler, einschließlich des höchststufigen Zauberers, bereits ins
Gras gebissen hatten. Es war ihm sogar gelungen, sich hastig zurückzuziehen,
als es hart auf hart gekommen war.
Dieser Armbrustschütze gefiel mir. Er war
leicht und behände. Eine Fernwaffe: genau das, was unsere kleine Gruppe
brauchte, um dem Gegner die eine oder andere Überraschung zu bereiten. Dann war
das also beschlossene Sache.
Ich musste diese Klasse auch bei anderen
Rassen nachlesen, um alle Vor- und Nachteile herauszufinden: welche Waffen sie
verwenden konnten etc.
Der Gnom war mehr oder weniger klar. Und
jetzt zum Zwerg.
Ein gedrungener, schwarzbärtiger Typ mit
einer Arbalest. Das war das Gleiche wie eine Armbrust, nur mit anderem
Namen und etwas wuchtiger und schwerer.
Menschen und Alven waren Bogenschützen,
Dwands zeichneten sich durch ihre Fähigkeit mit Wurfpfeilen aus. Große Rassen
schienen überhaupt nicht über diese Klasse zu verfügen.
Nachdem ich eine gute halbe Stunde mit dem
Studium der Fakten verbracht hatte, war ich schließlich zu folgendem Schluss
gekommen: Wenn man eine Fernwaffe verwenden wollte, konnte man keine bessere
Rasse wählen als die Alven.
Zweifellos hatten diese Waldbewohner auch
ihre Nachteile. Ihre Ausrüstung war ziemlich windig, um es mal vorsichtig
auszudrücken. Wenn ein Alven-Bogenschütze zum Nahkampf gezwungen war, würde er
nicht lange durchhalten. Selbst ein Pfeile werfender Dwand konnte ihm schnell den
Garaus machen.
Doch die Defizite ihrer Ausrüstung wurden
durch ihre ausgezeichnete Reichweite, Präzision und Feuergeschwindigkeit mehr
als wettgemacht. Keine andere Rasse kam dem auch nur nahe.
Die Ausrüstung eines Gnom-Armbrustschützen
war praktisch dieselbe wie die eines menschlichen Schwertkämpfers, doch
ersterer hatte ernsthafte Probleme in Sachen Reichweite und
Feuergeschwindigkeit. Traf der Bolzen eines Gnomen jedoch sein Ziel, konnte er
genauso viel Schaden verursachen wie die sprichwörtliche Kanonenkugel.
Menschen waren in keiner dieser Kategorien
besonders beeindruckend. Ihr Gebiet waren die Magie und die Hexerei. Wenn ich
es richtig verstand, waren die Menschen die besten Zauberer der Spiegelwelt.
Je mehr ich las, desto mehr verlor sich
mein Eindruck, dass diese Informationen scheinbar völlig chaotisch waren.
Tatsächlich stellte sich heraus, dass alles sehr logisch und strukturiert war.
Zwischen den Klassen und Anti-Klassen gab
es ein gewisses Gleichgewicht. Das für sich genommen machte das Gameplay schon
viel interessanter, und ehrlich gesagt auch viel intelligenter. Wenn man sich
für die Spiegelwelt entschieden hatte, musste man sich auf eine Lernkurve
gefasst machen. Jetzt hatte ich eine grobe Idee von der schieren Menge an
Handbüchern und Anleitungen, die ein potenzieller Spieler sich durchlesen
musste, bevor er seine neue virtuelle Heimat überhaupt betrat. Mit reinem
Enthusiasmus allein ließ sich diese Welt nicht erobern. Ein überheblicher Newb
würde keine fünf Minuten gegen fortgeschrittene und gut vorbereitete Spieler
bestehen.
Normalerweise würden mich mittlerweile
Zweifel plagen. Wie sicher war ich, dass ich mich mit all dem befassen musste?
Hatte ich das überhaupt drauf? Spielen war die eine Sache, aber das hier war
nicht so mein Fall. Ich stand kurz davor, das Epizentrum eines kommenden
Krieges zu werden, wie ihn die Spiegelwelt noch nicht gesehen hatte.
In jeder anderen Situation hätte ich mir
vor Sorge das Hirn zermartert. Aber gerade spürte ich etwas ganz anderes. Ich
hätte nicht behaupten wollen, ich hätte keine Angst. Aber es war keine wirklich
ernsthafte Furcht. Ich fühlte mich etwas nervös, aber das war normal, nahm ich
an.
Und diese seltsame Gefühlsmischung
beinhaltete auch so etwas wie Kampfgeist. Wie befremdlich. Nie hätte ich gedacht,
dass ich so etwas erleben würde.
Ein Anruf riss mich aus meinen Gedanken.
Das Display des Telefons schaltete sich ein und zeigte das Wort Bruder an.
Ich drückte auf Annehmen. „Hallo.“
„Hi.“ Dimitris Stimme war wie immer schroff
und ernst. „Wie geht es dir?”
„Ganz gut heute. Ich studiere gerade deine
Hinweise.“
„Dann komm zum Schluss, Mann. Ende des
Bootcamps. Zeit, an die Front zu gehen.“
„Super. Kommst du mit?“
„Nein. Sonst verrate ich noch deine
Tarnung.“
„Glaubst du, die wären sich nicht zu gut,
jemandem in der echten Welt hinterherzuspionieren?“, fragte ich zweifelnd.
„Würde ich ihnen zutrauen.“ Dimitri klang
überzeugt. „Wir gehen besser auf Nummer sicher und warten den richtigen
Augenblick ab. Sobald sie herauskriegen, dass du ihnen davongekommen bist, ist
die Hölle los. Also fürchte ich, du wirst diese Woche hart arbeiten müssen.
Pass nur auf, dass du dich nicht überanstrengst. Ich kenne doch deinen Hang zur
Selbstzerstörung ...“
„Ich bin vorsichtig, versprochen.“
„Gut“, erwiderte er seufzend. „Also,
Standort. Hast du dich für einen entschieden?“
„Ja. Die Namenlosen Inseln.“
„Gute Wahl. Es gibt mindestens 24 davon.
Man kann sich da leicht verirren. Die Mobs dort sind auch nicht so hochstufig.
Ein Ort für Newbs. Dort schaffst du es locker bis Level 30.“
„Klar. Und was noch besser ist: Es gibt
dort keine Steel Shirts.“
„Die Tatsache, dass sie ihre eigenen Länder
nutzen, um ihre Rekruten hochzuleveln, sagt gar nichts“, warnte mich Dimitri.
„Halte immer die Augen offen. Und viel Glück!”
„Danke, Mann.“
„Du schlägst dich recht ordentlich“, fügte
er hinzu. Die Namenlosen Inseln sind eine gute Wahl. Ende der Durchsage.“ Er
hängte auf.
Ich nickte gedankenverloren. Tatsächlich
waren die Namenlosen Inseln ein Geschenk des Himmels.
Zu Anfang meiner Planung hatte ich mich
gefragt: Wo sollte ich beginnen? Das Niemandsland hatte nicht allzu
vielversprechend geklungen. Ich konnte nicht damit rechnen, meinen aktuellen
Char dort ordentlich hochleveln zu können. Einfach auf eine Glückssträhne zu
hoffen, kam nicht in Frage.
Die Lande des Lichts waren vollständig
unter den Clans aufgeteilt, und die würden meine Anwesenheit zwangsläufig recht
schnell bemerken. Ich hatte sogar die verrückte Idee gehabt, nachts hinüber auf
die Dunkle Seite zu fliegen und dort hochzuleveln. Doch das war riskant.
Meine großartigen Planungen waren in einer
Sackgasse festgefahren gewesen.
Da hatte ich mich ratsuchend an Dimitri
gewandt. Er hatte mir erklärt, dass die Entwickler sich, als das Spiel noch in
den Kinderschuhen gesteckt hatte, spezielle Orte ausgedacht hatten, die den
Kämpferklassen helfen sollten, zu wachsen und sich zu entwickeln. Diese
Kinderstuben stellten eine Art Trainingsgelände für unerfahrene Spieler dar, es
gab niedrigstufige Mobs und NPCs, die einfache Quests verteilten.
Das war schön und gut, aber es hatte einen
Nachteil, jedenfalls sagten das die Spieler. Die Entwickler hatten offenbar
beschlossen, einen Wermutstropfen hinzuzufügen, nur um sicherzugehen, dass das
Leben für Neulinge nicht nur ein einziges Zuckerschlecken war. Nichts
Dramatisches, nur leichte Schwankungen der Wetterlage. An der Nördlichen
Bergkette gab es zum Beispiel gelegentlich Bodenfrost und Schneefall. Die
Schlangenwüste wurde von Hitzeperioden heimgesucht. Und die Namenlosen Inseln
waren für ihre Regenfälle bekannt. Na ja, Regenfälle – eher leichte Schauer.
Aber Newbs in ihrer Anfängerkleidung hatten
sich um diese Wetterschwankungen nicht gekümmert. Sie hatten den Support mit
Protesten und Beschwerden überschwemmt und sich beklagt, dass die
Spielentwickler die Spieler unter Druck setzen und dazu zwingen würden, teure
Runen, Elementarschutz oder gar Umhänge zu kaufen. Bei den Entwicklern waren
diese Klagen auf taube Ohren gestoßen – wofür ich jetzt endlos dankbar war.
Im Lauf der Zeit hatten sich die
Beschwerden gelegt. Die Newb-Orte lagen verlassen da.
Wie war das gekommen?
Ganz einfach. Nach Ende der Clan-Kriege
waren die Lande des Lichts vollständig unter den stärksten Clans aufgeteilt
worden. Neue Schlösser waren an Orten mit neutralem Klima errichtet worden, um
die sich schnell neue Städte und Dörfer angesiedelt hatten. Warum sollte man
dann stumm leiden, sich beinahe totfrieren oder klatschnass regnen lassen, wenn
bequemere Orte zur Verfügung standen?
Dimitri hatte mir die geheimen Login-Daten
weitergeleitet. Offenbar fielen auf die alten Orte für Newbs nur 2 % aller
Spiel-Logins ab. Die übrigen 98 % der Spieler meldeten sich lieber in von
den Clans kontrollierten Gebieten an.
Das war perfekt.
Laut Dimitri hatte ich die Wahl zwischen
drei verschiedenen Orten: kalt, heiß oder regnerisch. Und so sehr ich Letzteres
hasste, hatte ich mich schließlich doch dafür entscheiden müssen.
Da ich nicht über Anti-Hitze-Schutz
verfügte, hatte ich die Schlangenwüste sofort verworfen. Eine Weile hatte ich
sehr ernsthaft über die Nördliche Bergkette nachgedacht: Der Regen stand mir
wirklich bis obenhin. Außerdem hatte ich sowieso schon einen Anti-Frost-Schutz
– den hatte ich vor meinem ersten Ausflug ins Niemandsland installiert.
Aber das war gewesen, bevor ich die Karte
gesehen hatte.
Die Nördliche Bergkette war ein langer,
schmaler Gebirgszug mit glatten, sanft geschwungenen Hängen, der sich entlang
der gesamten Grenze erstreckte. Bei den Namenlosen Inseln handelte es sich um
ein paar versprengte größere und kleinere Inseln im südlichen Teil des Großen
Ozeans. Sie boten wesentlich besseren Schutz vor neugierigen Augen.
Außerdem hatte ich herausgefunden, dass die
Nördliche Bergkette genau der Ort war, an dem die übrigen 2 % der
Spielerschaft sich einloggten. Offenbar war ich nicht der Einzige, der keine
Lust auf Nässe hatte. Andererseits, was wusste ich schon?
Nun gut. Genug recherchiert. Zeit, nach
unten zu gehen. Mein Modul erwartete mich.
Ich fuhr allein im Aufzug und betrachtete
meine abgemagerte Erscheinung im Spiegel. Ich hatte schon Leichen mit besserem
Teint gesehen. Andererseits war ich verglichen mit meinem ersten Tag offline
fit wie ein Turnschuh. Ich konnte jetzt sogar schon ohne Hilfe laufen und
brauchte keine Krücken mehr.
Mit einem leisen Klingeln kündigte der
Aufzug seine Ankunft im Erdgeschoss an.
Der Gang war lichtdurchflutet.
Hier ging es ganz schön zu. So viele
Angestellte! Ihre Laborkittel waren überall. Man sah sofort, dass es sich hier um
ein VIP-Zentrum handelte.
Doch wer, wenn nicht die Spielentwickler,
hatte ein Anrecht darauf?
Würden sie mich hier rauswerfen, sobald ich
meine Mission abgeschlossen hatte? Oder würden sie mich bleiben lassen? Zu
früh, um über so etwas nachzudenken.
Dieses Zentrum war der Grund, warum ich in
eine andere Stadt hatte umziehen müssen. Dimitri hatte das einfach so
angeordnet. Nachdem ich ihm vom Angebot der Bank und dem falschen Pierrot
erzählt hatte, war mein Bruder nur noch fokussierter geworden. Ohne ihn wäre
ich nicht weit gekommen.
„Olgerd?“
Ich drehte mich um. Hinter mir stand eine
Frau. Etwa 25, Laborkittel, hellblaue OP-Haube. Auf dem Namensschild an ihrer
Brust stand Irene.
Ich nickte. „Das bin ich. Hi.“
„Hi. Sind Sie bereit?“
„Klar.“
„Na, dann los.“
Mein neuer „Sarg“ war nicht allzu weit weg.
Wir erreichten das Ende des Gangs und betraten eine Halle.
Hier befanden sich andere Kapseln, die alle
geschlossen waren. Sie sahen völlig anders aus als die, die ich bisher
verwendet hatte. Auch wenn ich kein Technikexperte war, konnte ich doch
erkennen, dass das hier die neuesten Oberklassemodelle waren.
„Hier ist sie.“ Sie deutete auf die einzig
offene Kapsel.
Der vertraute, purpurne Glibber empfing
mich und umhüllte meinen Körper. „Darf ich etwas fragen?“
„Unbedingt“, entgegnete sie, ohne den Blick
vom Bildschirm abzuwenden.
„Bilde ich mir das ein, oder hat sich etwas
verändert? Ich habe das Gefühl, als wäre ich in Gelee eingelegt worden. Bitte erklären
Sie’s mir möglichst ohne Wissenschaftsjargon.“
Sie lächelte. „Das hier ist das neueste
Modell. Einfach ausgedrückt mussten wir bei den Vorgängerversionen ein Gel
verwenden, das vibriert ...“
„... um Wundliegen zu vermeiden“,
vervollständigte ich hilfsbereit.
Sie nickte. „Genau. Aber jetzt haben wir
dieses spezielle neue Gel, das den ganzen Körper umhüllt und elektrische
Impulse hindurchleitet. Was sehr gut für die Gesundheit ist. Und als Bonus
gewinnt Ihr virtuelles Erlebnis auch noch neue Sinneseindrücke hinzu.“
„Oh. Da bin ich ja gespannt.“
Ich hätte sie liebend gern noch weiter
ausgefragt, aber sie kam mir zuvor.
„Das ist alles, Oleg. Initiieren wir den
Immersionsvorgang.“
Ihre feingliedrigen Finger glitten über den
Bildschirm und tippten auf die unsichtbare Tastatur. Der Deckel senkte sich.
„Viel Glück.” Irene lächelte. „Und viel
Spaß in der Immersion.“
„Danke“, flüsterte ich zurück.
Ein paar Augenblicke später umfing mich die
bereits vertraute Leere.
Stille. Dunkelheit.
Ich erblickte ein flackerndes Licht, das
immer schneller auf mich zukam.
Bevor ich auch nur blinzeln konnte, nahm
das Licht mich auf.
Noch immer hörte ich kein Geräusch. Ich sah
mich um. Wo war ich?
Ein runder Raum, etwa fünf Schritte im
Durchmesser. Ein steinerner Boden. Brennende Fackeln an den Wänden. Kein
Fenster.
Ich hob den Kopf. Starke Holzbalken
stützten das dunkle Deckengewölbe. Das konnte einer der Türme der Zitadelle
sein, nur ohne die typischen Schießscharten.
Grüße, Olgerd! Willkommen zurück in der
Spiegelwelt!
Um in den vollen Genuss der Schönheit
unserer Welt zu kommen, schließen Sie bitte die Registrierung Ihres
Bronze-Kontos ab!
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Unbedingt.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Auch
wenn ich mich bereits entschieden hatte, hatte ich das unangenehme Gefühl,
etwas Wichtiges vergessen zu haben.
Das Generieren Ihrer Charaktereinstellungen
und Eigenschaften wird weniger als eine Minute dauern. Bitte warten Sie.
Natürlich. Das war eine neue Rasse. Machte
mich das zu einer Art Pionier? Wie auch immer. Ich konnte warten. Dabei würde
mir kein Zacken aus der Krone brechen.
Himmel. Diese Minute dauerte ganz schön
lange.
Vielen Dank für Ihre Geduld. Ihre
Charaktereinstellungen wurden zurückgesetzt.
Möchten Sie fortfahren? Ja/Nein
Das wurde aber auch Zeit! Ich seufzte auf
und drückte Ja, bereit, eine ausführliche Liste verschiedener
Kampfklassen zu sehen.
Moment mal. Was zum Henker war das denn? Da
lag doch ein Fehler vor?
Ein holografisches Bild meines Ennan-Charakters
in einfacher Anfängerkleidung erschien in der Mitte des Raums. Aber es waren
nicht die Kleider, die mich aus der Fassung brachten. Ich hatte meine gesamte
Ausrüstung sicher in meiner Tasche. Es war die Klassenliste. Sie bestand aus
einem einzigen Eintrag:
Armeemechaniker
Meine Hände zitterten, während ich die
Einstellungen durchging. Das konnte nicht sein. Was, nur eine einzige Klasse?
Ich sah meinen Ennan an. Er stand
breitbeinig da, die Hände in die Hüften gestemmt, und grinste von einem Ohr zum
anderen. Für wen hielt er sich denn, zum Teufel?
Moment mal ... was um alles in der
Welt war hier los? Ich warf einen zweiten Blick auf meine erste Waffe, die an
seinem Gürtel hing.
Verdammt. Ich blickte zum Himmel auf und
seufzte ergeben. „Eine Schleuder? Ihr wollt mich doch veräppeln, oder?
Ich soll das Niemandsland mit einer verdammten Zwille erobern?“
Kapitel 2
Ganz ruhig, Olgerd.
Tief durchatmen. Kein Grund zur Panik.
Einatmen. Ausatmen.
Genau so ... gut.
Jetzt noch einmal genau hinsehen.
Ein Mechaniker, na und? Also war ich eben
kein Bogen- oder Armbrustschütze. Was war das Problem? Dass es keine passenden
Klassen gab?
Keine große Sache. Narchs zum Beispiel
hatten vier Arme. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie sie zurechtkamen,
aber offenbar schafften sie es. Und auch noch recht erfolgreich, wenn man an
die Schlacht um das Plateau dachte. Sehr effizient, wenn ich das sagen durfte.
Oh, und hier war eine Pergamentrolle mit
meinen Hintergrundinformationen. Sie wirkte uralt und vergilbt.
Es geschah Anfang Herbst, als ich durch die
Ausläufer der Stahlberge reiste. Ich besuchte meinen Freund Rold vom Volk der
Tinkh. Seine Leute waren wirklich nichts Besonderes. Nur ein paar Ennans, die
in einem Dorf lebten. Sie blieben unter sich. Beteiligten sich nie an Fehden
oder Clan-Kriegen. Sie beteten zum Herrn der Unterwelt.
Im Gegensatz zu gängigen Vorurteilen lebte
ihr Clan vom Handel, nicht vom Bergbau oder der Schmiedekunst. Das mochte
vielleicht ein Grund für ihre Isolation sein.
Eines Abends, als er am Feuer saß, seine
schmerzenden Gelenke wärmte und seine beste alte Pfeife rauchte, erzählte mir
Rold von tragischen Ereignissen, die sich kürzlich zugetragen hatten.
Offenbar hatte einer der ältesten Clans der
gesamten Stahlberge vor Kurzem aufgehört zu existieren. Die Tinkhs wussten
nicht viel darüber, was dort geschehen war. Manche sagten, dass Bergleute der
Der Swyor auf eine ergiebige Rohstoffader gestoßen waren. Andere behaupteten,
dass der Clananführer sich bei der letzten Ältestenversammlung respektlos
verhalten hatte. Doch mein Freund Rold meinte, dass es wegen Meister Grilby
gewesen sei, der das uralte Geheimnis entdeckt hatte, wie man jemanden von den
Toten auferstehen lassen konnte.
Hier brach der Text ab. Der gesamte nächste
Absatz war verschwommen, als hätte derjenige, der ihn geschrieben hatte, eine
Flüssigkeit auf dem Pergament verschüttet. Ob das aus Versehen oder aus einem
bestimmten Grund geschehen war, ließ sich nicht sagen. Ich las beim
darauffolgenden Abschnitt weiter.
... die Krieger des Clans tapfer
Widerstand leisteten. Doch was konnten sie gegen die Armee der Allianz
ausrichten? Auf jeden Verteidiger kamen 50 Angreifer. So mancher Held fand
an jenem tragischen Tag den Tod. Eines muss man den Der Swyors lassen: Sie
kämpften wie ein Mann. Laut Rold verbarrikadierten sich ein paar einfache
Arbeiter im Turm der Winde und hielten den Feind eine Weile erfolgreich auf.
Seine Geschichte hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir.
Das war das Ende dieser sogenannten
Hintergrundinfo. Doch, nein. Darunter stand noch eine Unterschrift.
Die Chroniken von Arvein. Seite 25.
Die Spielentwickler waren nicht gerade
großzügig mit Informationen. Oder lag das an mir?
Was für eine seltsame Klassenbeschreibung.
Wenn man logisch darüber nachdachte, konnte es gut sein, dass mein Mechaniker
der Nachfahre dieser tapferen Verteidiger des Turms der Winde war.
Na ja. Das war wohl besser als nichts. Nur
eines hätte ich liebend gern gewusst. Hatten diese Verteidiger des Turms
ebenfalls Schleudern gegen die Feinde eingesetzt?
Apropos Schleudern: Ich erinnerte mich an
ein YouTube-Video, in dem ein stämmiger Typ mit einer Schleuder Stahlbolzen auf
Kuhschädel geschossen hatte. Das laute, knallende Geräusch und das Knacken
berstender Knochen hatten sich mir ins Gedächtnis gebrannt.
Außerdem glaubte ich nicht, dass das die
Spielbalance aus dem Gleichgewicht bringen würde. Höchstwahrscheinlich würde
ich mich wunderbar in die Kämpferklassen einpassen, Schleuder hin oder her.
Nach dem fetten Grinsen meines Chars zu urteilen stand mir so Einiges bevor.
Wie auch immer. Ein Problem nach dem
anderen. Wie war das mit meinen Eigenschaften?
Neben den bereits bestehenden –
Geschwindigkeit, Stärke und Ausdauer – hatte ich jetzt auch Gesundheit, Schutz und
Intellekt. Neben der blauen Energieleiste entdeckte ich eine rote für Leben,
eine grüne für Erfahrung und eine gelbe für Wissen.
Dank meiner Recherchen in den Foren wusste
ich schon, dass die Lebensleiste der Gesundheit entsprach. Sie funktionierte
nach demselben Prinzip wie der Zusammenhang zwischen Ausdauer und Energie. Wenn
die Gesundheit anstieg, wuchs auch die Lebensleiste.
Das würde ich mir wirklich genauer ansehen
müssen. Ich hatte jede Menge Energie, aber meine Lebensanzeige legte nahe, dass
ich beim ersten Nießen sterben konnte.
Die Leiste war in 40 Einheiten
unterteilt. Jeder Gesundheitspunkt brachte mir 20 Lebenspunkte.
Jetzt zur Stärke.
Zuvor hatte sie nur die
Regenerationsgeschwindigkeit der Energie beeinflusst. Jetzt hatte sie dieselbe Wirkung
auch auf Leben. Auch der zugefügte Schaden hing direkt von ihrem Wert ab. Was
definitiv gute Neuigkeiten waren.
Schutz war mehr oder weniger klar. Wissen
war allerdings für mich eher eine unbekannte Größe. Ob das eine Art Analog zur
Weisheit der Magier war? Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht würde ich das erst
einmal ausprobieren müssen.
Die nächste Hürde war die Abwesenheit der
sogenannten Bonuspunkte. Die Spielentwickler hatten wohl beschlossen – und das
zu Recht – dass die, die ich bei der Registrierung bekommen hatte, ausreichten.
Also war das Ganze wirklich etwas schlecht
ausbalanciert. Ich musste den Weg eines Kriegers ohne jeden Schutz und mit
minimalem Leben beschreiten. Die schwächsten Monster der Namenlosen Inseln
würden mich mit dem kleinen Finger erledigen können.
Doch ich hatte auch ein paar Vorteile.
Zunächst waren die Werte meiner Ausrüstung
recht hoch für Level 1. Und dann hatte ich ja auch noch meine kleine
Menagerie.
Außerdem hatte ich laut dem Forum bei jedem
fünften Levelaufstieg ein Anrecht auf fünf Bonuspunkte, die ich nach Belieben
verteilen konnte. Das heißt, wenn ich lang genug durchhielt, um das zu erleben.
Nun gut. Meine Eigenschaften waren mehr
oder weniger klar. Jetzt war das Inventar dran.
In meiner Tasche waren fünf Symbole
hervorgehoben: zwei für Kleidung, zwei für Verschiedenes und ein Waffensymbol.
Ich begann mit der Kleidung. Was hatten
unsere großzügigen Admins denn so für mich?
Keine Überraschungen. Eine Lederweste und
ein Paar Leinenhosen, Standardkleider für Anfänger.
Die Weste fügte je einen Punkt zu
Gesundheit und Geschwindigkeit hinzu, die Hosen je einen zu Stärke und
Ausdauer.
Das war natürlich alles eher mickrig
verglichen mit meinem Reflexions-Kit, selbst wenn man die Tatsache außer Acht
ließ, dass es mit Runen behangen war wie ein Weihnachtsbaum.
Natürlich musste jeder Newb sein Starterset
zwangsläufig nützlich finden. Jeder außer mir, leider, auch wenn ich den
Extrapunkt auf Gesundheit gut gebrauchen konnte.
Doch die Regeln des Spiels bestimmten, dass
ich, wenn ich diese jämmerliche Lederklamotte tragen wollte, etwas von meiner
Unterwäsche ausziehen musste, was das Set auseinanderriss. Das würde zum
Verlust sowohl der kostbaren Stärke- und Ausdauerpunkte als auch meines
beträchtlichen Geschwindigkeitsbonus‘ führen. Einfach ausgedrückt war ein
armseliger Extrapunkt auf Gesundheit den Ärger nicht wert.
Da meine neuen Kleider nicht übertragbar
waren, würde ich sie vielleicht später aus meinem Inventar löschen müssen, nur
damit meine Tasche nicht zu voll wurde. Doch es bestand kein Grund zur Eile.
Einen potenziell nutzlosen Gegenstand konnte ich jederzeit entsorgen.
Mit den Kleidern war ich fertig. Jetzt zu
den Waffen. Oh! Wie interessant. Offenbar hatte meine Schleuder einen sehr
niedlichen Namen:
Name: eine Schlichte Taschenschleuder
Kategorie: Einfach
Waffentyp: Hauptwaffe (nicht übertragbar)
Level: 0+
Einschränkung: nur Ennan-Rasse
Reichweite: + 0,5
Feuergeschwindigkeit: + 0,5
Präzision: + 0,5
Schaden: + 1,0 ... + 1,6
Haltbarkeit: 25
Na, dann hoffte ich mal, dass ich mir zu
einem späteren Zeitpunkt irgendetwas Eindrucksvolleres besorgen konnte. Ich
wäre sogar schon mit einer Normalen Taschenschleuder zufrieden.
Jetzt noch „Verschiedenes“.
Um ehrlich zu sein, hatte im Forum nichts
dazu gestanden. Normalerweise erhielten Neuzugänge ihre Bonuspunkte, einen Satz
zerschlissener Kleidung und eine einfache Waffe. „Verschiedene“ Gegenstände
waren nie erwähnt worden.
Doch dachte ich wirklich, dass
Forenmitglieder all ihre Spielgeheimnisse teilen würden? Höchst
unwahrscheinlich.
Also. Gegenstand eins, ein kleines
Ledertäschchen.
Name: ein Standard-Werkzeugset
Stück: 4
Schöner Name, einfach und informativ. Ich
wünschte, ich könnte dasselbe über den Inhalt sagen.
Scharfdorn, 1
Torkler, 1
Maßometer, 1
Flickbox, 1
Ihre Logik war verständlich. Als Mechaniker
musste ich natürlich irgendwelche Werkzeuge benutzen. Nur hatte ich nicht die
leiseste Ahnung, wie ich selbst das niedrigstufigste Monster mit einem
Maßometer oder, Gott behüte, mit einem Torkler besiegen sollte? Das Beste, was
ich tun konnte, war es wohl, meine Schleuder mit dem Scharfdorn zu bestücken
und den Feind dann zu lähmen, indem ich ihm eins mit der Flickbox überzog, nur
um sicherzugehen.
Nur die Ruhe, Olgerd, sagte ich mir. Es
hätte schlimmer kommen können. Natürlich war ich aufgebracht, da ich mich so
darauf gefreut hatte, eine Standard-Kämpferklasse zu wählen. Andererseits
musste ich meinen Ennan eines lassen. Bis jetzt hatte er mich nie enttäuscht.
Der letzte Gegenstand in meinem Inventar
weckte gemischte Gefühle: widerstrebenden Optimismus mit einer Spur
Ratlosigkeit.
Name: Ein Taschenbuch
mit technischen Zeichnungen und Kraftlinien
Das Buch war ziemlich dick, und der
schmutzige, braune Einband voller Brandflecken und Motoröl. Der Buchrücken hing
nur noch an einem Faden. Ein feines Netz Risse und kleiner Löcher überzog den
Einband. Ich hatte den Eindruck, dass entweder der Vorbesitzer dem Buch
keinerlei Wert beigemessen hatte, oder dass er es in einem nicht eben sterilen
Umfeld eingesetzt hatte.
Ich öffnete das Buch und wollte anfangen,
es zu lesen, fand aber nichts darin außer einige ausgeblendete Seiten und eine
Begrüßung.
Grüße, Olgerd!
Tut uns leid. Sie können das Buch noch
nicht lesen. Ihr Wissens-Level ist zu niedrig. Bitte versuchen Sie es später
noch einmal.
Schon klar. Bitte versuchen Sie es, wenn
Sie schlauer sind, wollt ihr das damit sagen?
Jedenfalls entdeckte ich am Ende des Buches
ein paar freie Seiten. In der Werkzeugtasche gab es auch noch viele freie
Plätze. Das war wohl ihre Art, mir zu sagen, dass ich mich selber darum kümmern
musste, wenn ich sie füllen wollte.
Nun gut. Ich war fertig damit, meine
Feebies durchzusehen.
Grüße, Olgerd!
Möchten Sie die Kontoaktivierung
abschließen?
Ich warf einen letzten Blick in mein
Inventar und klickte auf Ja.
Die magischen Fackeln wurden dunkler. Das
Ennan-Hologramm schwebte, immer noch grinsend, auf mich zu.
Die Dunkelheit verschlang mich.
Als ich die Augen öffnete, stand ich am
Ufer des Meeres. Oder vielmer am Ufer des Großen Ozeans.
Herzlichen Glückwunsch! Aktivierung
abgeschlossen!
Willkommen auf den Namenlosen Inseln!
Möchten Sie unsere kostenlose App
„Datenblatt zu den Namenlosen Inseln“ installieren?
Der Gestank nach Salzwasser und
verrottenden Algen stieg mir in die Nase. Das Tosen der Brandung und das
Prasseln des Regens auf dem Sand vermischten sich mit dem Rauschen von Palmwedeln
und dem Summen kahler Bambusstauden im Wind.
Schwarze Gewitterwolken hingen tief am
Himmel. Der Wind wehte heftig. Es herrschte starker Wellengang. Der Regen war
ganz genauso schlimm wie in Drammen.
Amüsierten sich die Admins auf meine Kosten?
Oder war diese Art von Wetter hier normal? In diesem Fall verstand ich, warum
niemand scharf darauf war, diesen Ort zu nutzen.
Ich fühlte mich schwer und niedergedrückt.
Ich hatte schon vergessen, wie es sich anfühlte, nackt herumzulaufen. Die
Spiegelwelt ließ einem nie eine Atempause.
Ich würde diese Situation recht schnell
bereinigen müssen. Eilig zog ich mich an.
Herzlichen Glückwunsch!
Sie haben + 1.600 Punkte auf Energie
erhalten!
Aktuelles Energielevel: 1700.
Schon viel besser. Selbst der Regen fühlte
sich jetzt nicht mehr so nass an. Die Wolken über mir erschienen ein bisschen
leichter. Und auch der Ozean wirkte nicht mehr so mörderisch wie ursprünglich.
Es ging bergauf.
Zeit, mich zu orientieren.
Der langgezogene Sandstrand war etwa 40
oder 50 Schritte breit. Wie eine schlafende Schlange lag er zwischen dem Meer
und einer grünen Wand aus Dschungel. Schöner, großer Strand. Er gefiel mir.
Eigentlich war der Sand wohl weiß, aber man
erkannte seine Farbe nicht gleich, weil er mit winzigen Muschelstückchen, getrockneten
Algen, kleinen Treibholzsplittern und allem möglichen Strandgut vermischt war.
Das hier war definitiv nicht als Reiseziel
für Touristen gedacht. Allerdings waren die Geschmäcker ja verschieden. Ich
persönlich hätte kein Vergnügen daran gehabt, auf dem schmutzigen Sand zu
liegen und auf den tobenden Ozean zu starren.
Der Waldrand wirkte auch nicht gerade
einladend. Wahrscheinlich gab es in der Gegend häufig Tornados, wenn man sich
die vielen entwurzelten Palmen so ansah.
Entschuldigung? Hört mich jemand? Das soll
ernsthaft ein Ort für Newbs sein? Ich fand es schwer zu glauben, dass dieses
Gebiet für Anfänger bestimmt sein sollte. Es war gruselig.
Erfolg! Das Datenblatt für die Namenlosen
Inseln wurde installiert und ist bereit zur Nutzung!
Mal sehen.
Die App war gut. Sie enthielt eine
detaillierte Karte der Gegend und ein Bestiarium. Laut diesem gab es hier eine
große Artenvielfalt.
Die Karte führte außerdem alle natürlichen
Ressourcen und die Siedlungen der örtlichen NPCs auf.
Jetzt konnte ich glauben, dass das hier
einmal ein Anfängerort gewesen war. So ausführliche Anweisungen hatte ich bei
meiner ersten Anmeldung nicht erhalten. Andererseits brauchten Grinder diese
Art von Infos ja auch gar nicht, oder? Alles, worum sie sich Gedanken machen mussten,
war, einen Arbeitgeber zu finden und an die Arbeit zu gehen.
Jetzt war meine Situation allerdings eine
ganz andere. Je früher es mir gelang, mich anzupassen, desto leichter würde mir
das in Zukunft fallen.
Also, fangen wir mit der Karte an.
Sobald es synchronisiert war, zeigte mir
mein Navi brav meine Position an. Offenbar befand ich mich im nördlichen Teil
dieses recht ausgedehnten Gebiets: auf der kleinsten, am weitesten abgelegenen
Insel.
Das nächste NPC-Dorf lag auf der größten
Insel im Osten. Auf meiner Karte sah die eher wie ein Kontinent aus.
Ich wies mein Navi an, einen Kurs zum Dorf
zu berechnen. Nach einer kurzen Pause zeigte es mir die seiner Ansicht nach
kürzeste Route an.
Oh. Um dorthin zu gelangen, musste ich über
zwei weitere Inseln reisen. Es wäre viel leichter gewesen, einfach Boris zu
beschwören. Doch ich wollte keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
Auch wenn der Anblick meiner Ausrüstung nicht zu meiner Unauffälligkeit
beitrug, war ein Grinder-Zwerg, der genug Kleingeld hatte zusammenkratzen
können, um sich ein Bronze-Konto zu leisten, immer noch ein gewöhnlicherer
Anblick als ein Grinder-Zwerg, der auf einer schwarzen, greifenartigen Kreatur
durch die Lüfte schwebte.
Jedenfalls würde mir ein Spaziergang
guttun. Ich konnte mich beim Laufen umsehen, da ich hier sowieso mindestens für
eine Woche festhängen würde.
Na dann los, unerwünschten Abenteuern
entgegen!
Ich musste nicht sehr weit gehen, bevor ich
über einen riesigen Fischkadaver stolperte. Er musste mindestens sechs Meter
lang sein. Der Gestank ... war unvorstellbar.
Sein Bauch war aufgerissen worden, und
faulendes Fleisch und Eingeweide waren überall verstreut. Wäre der Regen nicht
gewesen, hätte ich ihn viel früher gerochen.
Ich stand da und starrte auf die
blutrünstige Szene. Sie sah tatsächlich sehr glaubwürdig aus, als wäre ich auf
einer gottverlassenen, einsamen Insel mitten im Meer.
In die Betrachtung der Flosse des Fisches
versunken, bemerkte ich zunächst die Fußspuren nicht. Sie waren dreieckig, etwa
45 Zentimeter lang und halb so breit.
So, so. Wenn das nicht ... Ich war
natürlich kein Fachmann, aber selbst ich erkannte Vogelspuren, wenn ich sie
sah.
Automatisch hob ich den Kopf. Wenn dieser
Ort von Vögelchen mit dieser Schuhgröße bewohnt war, sollte ich mich wirklich
näher an den Bäumen halten.
Andererseits war das vielleicht auch nicht
die beste Wahl. Man wusste ja nie, was der Dschungel für einen neugierigen
Reisenden bereithielt. Ich hatte schon die ganze Zeit, die ich am Strand
verbracht hatte, das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Jedes Mal, wenn
ich mich dem Wald zuwandte, verschwand das Gefühl, nur um später
wiederzukehren.
So viel zum Ort für Newbs. Ich zitterte
unwillkürlich. Selbst die Spinnengrotte kam mir im Vergleich hierzu sicher und
gemütlich vor.
Gerade wollte ich mich abwenden und meinen
Weg fortsetzen, als mir endlich etwas Einfaches, aber extrem Wichtiges klar
wurde. Meine Waffe! Ich hatte noch nicht mal daran gedacht, sie mir anzusehen!
Ich konnte es kaum glauben. Hey, Monster
und Raubtiere, kommt schnell! Holt euch das saftige Fleisch eines unbekümmerten
Nerds, ein Prachtexemplar der modernen Gesellschaft!
Meine Hände griffen nach der Schlichten Taschenschleuder,
die noch in meinem Gürtel steckte. Ich wusste nicht einmal, wie man sie
benutzte!
Doch wer hatte so etwas nicht im zarten
Kindesalter schon einmal benutzt? Ich war da keine Ausnahme. Damals nannten wir
sie nicht Schleuder, sondern tatsächlich Katapult. Das war lange
her ... und noch dazu im wirklichen Leben.
Ich hatte keine Ahnung von der Ballistik
einer Schleuder in der virtuellen Welt. Aber das war keine Frage, die ich mir
stellen sollte. Ach, warum hatte ich nicht einmal daran gedacht, meine einzige
Waffe als allererstes zu testen? Olgerd, Olgerd. Unter allen Trotteln bist du
der oberste Volltrottel. Dass jemand wie du sich ins Niemandsland wagen wollte!
Na gut, Zeit, meinen Schnitzer zu
korrigieren.
Ich schloss die linke Hand um den Griff der
Schleuder, die aus dunklem Holz gemacht und mit einem offenbar ganz
gewöhnlichen Gummiband ausgestattet war. Die Halterung für die Geschosse
bestand aus einem Stück Leder. Das war auch schon alles.
Das Einzige, was noch fehlte, war Munition.
Da in meinem Inventar nichts Derartiges aufgeführt war, würde ich wohl nach
etwas Passendem suchen müssen. Wobei „suchen“ nicht zutraf. Ausreichend
Munition lag buchstäblich zu meinen Füßen.
Der kleine Kieselstein da drüben wäre gut
geeignet.
Sie haben einen Gegenstand erhalten!
Name: ein Strandkiesel
Sobald ich den Kiesel in die Halterung
einlegte, sagte mir das System etwas sehr Interessantes.
Die Schlichte Taschenschleuder ist geladen!
Geschoss: ein Strandkiesel
Für den Zweck geeignet: Ja
Reichweite: + 0,6
Feuergeschwindigkeit: + 0,4
Präzision: + 0,4
Schaden: + 1,0 ... + 1,1
Aha! Der kleine Kieselstein hatte die
Reichweite erhöht, wirkte sich aber negativ sowohl auf die Feuergeschwindigkeit
als auch die Präzision aus. Ebenso auf den Schaden.
Nun gut. Was, wenn ich einen Kleineren
nahm?
Ich legte einen neuen Kiesel in die
Halterung ein.
Die Schlichte Taschenschleuder ist geladen!
Geschoss: ein Strandkiesel
Für den Zweck geeignet: Ja
Reichweite: + 0,8
Feuergeschwindigkeit: + 0,6
Präzision: + 0,6
Schaden: + 0,8 ... + 1,0
Wie interessant. Der neue Kiesel hatte alle
Werte außer Schaden verbessert. Der war allerdings beträchtlich gesunken. Genau
das, was ich nicht brauchte.
Was, wenn ich einen größeren Stein nahm?
Zum Beispiel diesen grauen da drüben ...
Die Schlichte Taschenschleuder ist geladen!
Geschoss: ein Strandkiesel
Für den Zweck geeignet: Ja
Reichweite: + 0,3
Feuergeschwindigkeit: + 0,3
Präzision: + 0,3
Schaden: + 1,8 ... + 2,2
Na, das war wohl recht eindeutig. Ein
schwereres Geschoss verbesserte den Schaden, senkte aber alle anderen Werte.
Jetzt musste ich es nur noch testen. Das hieß, ich brauchte einen Gegner.
Aus dem Regenwald drang ein mächtiges
Brüllen, das mir alle Haare an meinem virtuellen Körper zu Berge stehen ließ.
Hieß es nicht, man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich wünschte?
Kapitel 3
Das Brüllen erklang erneut, diesmal näher,
begleitet vom Krachen von Ästen und ganzen Baumstämmen, die von der sich ihren
Weg bahnenden Kreatur beiseite gewischt wurden.
Im dichteren Wald sah ich bereits
schwankende Palmenwipfel. Da kam etwas sehr Großes, sehr Lautes, sehr Zorniges.
Und es kam auf mich zu.
Ich warf einen wenig begeisterten Blick auf
meine Schleuder. „Es reicht. Zur Hölle mit der Geheimnistuerei!“
Boris erschien gerade, als das
geheimnisvolle Monster aus dem Dickicht hervorbrach und dabei Bambusstauden und
Palmen umriss, die das Pech hatten, ihm im Weg zu stehen.
Ich beugte mich nach unten, raffte eine
Handvoll Kieselsteine zusammen und sprang auf Boris‘ Rücken. Mit einem
kräftigen Flügelschlag waren wir außerhalb der Reichweite des Newb-Killers.
Ich sah, wie sich die Federn an Boris Hals
aufstellten.
„Schöner Ort für Newbs, was?“ Ich klopfte
ihm den kräftigen Hals. „Tut mir leid, dass ich dich da reinziehen musste,
Junge.“
Er hörte mich nicht. Er war zu beschäftigt
damit, die riesige Bestie zu beobachten, die sich jetzt wütend am Strand um
sich selber drehte.
„Ich kann es dir nachfühlen“, flüsterte ich
Boris zu, während ich selbst die Kreatur musterte.
Ein beeindruckender Anblick, das musste ich
zugeben. Sie war mindestens sechs Meter groß, mit einem massigen Körper, einem
rechteckigen Kopf, großen Pfoten, dicker, haarloser Haut, einem langen
Krokodilschwanz und einem Paar imposanten, gebogenen Reißzähnen.
Sie sah nicht aus, als hätten die
Spielentwickler sich viel Mühe mit ihr gegeben. Offenbar hatten sie ein
Krokodil, ein Wildschwein, einen Elefanten und ein Nashorn genommen und durch
einen Zufallsgenerator laufen lassen. Das Ergebnis war ein Mutant aus der
Hölle.
Und wie sollte man gegen ein solches
Monstrum kämpfen? Noch dazu mit einer Schleuder.
Und überhaupt, warum war es eigentlich so
sauer, dass es sich um sich selbst drehte und auf und ab sprang? Ein paarmal
fiel es sogar auf die Seite. Die Stelle, wo ich vor ein paar Sekunden noch
gestanden war, sah jetzt aus wie ein frisch gepflügtes Feld. Interessanterweise
schien das Vieh mich überhaupt nicht zu bemerken. Ich war nicht einmal in
seiner Aggro-Zone. Was war da los?
„Junge, würdest du mal ein paar Meter
runtergehen?“
Boris warf mir einen skeptischen Blick zu,
als wollte er sagen: „Das meinst du doch nicht ernst, oder?“ Trotzdem gehorchte
er prompt.
Als wir etwas weiter unten waren, wurde
alles klarer. Ich war der Bestie völlig egal. Sie wurde selbst angegriffen.
Ihre Angreifer sahen wie alles andere an
diesem sogenannten Newb-Ort sehr seltsam aus. Ihre Körper waren dünn und
affenartig und von haarloser, schmutziggrauer Haut bedeckt. Sie hatten lange
Vorder- und kurze Hinterbeine. Nicht gerade Schönheiten. Ganz zu schweigen von
ihren Köpfen.
Einmal hatte ich einen Geschäftskunden
besucht. Er hatte ein großes Aquarium in seinem Büro, in dem Piranhas
herumschwammen. Der Kerl hatte die unangenehme Angewohnheit, seinen Besuchern
die Fische zur Fütterungszeit vorzuführen. Ich mag solche Szenen ohnehin nicht
besonders, aber an jenem Tag hatte ich nicht gut nein sagen können.
Als ich jetzt zusah, wie die kahlen „Affen“
sich auf die Bestie stürzten, hatte ich ein vages Déjà-vu-Gefühl. Dieselben,
mit nadelspitzen Zähnen bestückten Fischköpfe. Dieselben abrupten, zuckenden
Bewegungen.
Ich hätte zu gern gewusst, was die
Kreativität dieses speziellen Spielentwicklers beflügelt hatte. „Boris, würdest
du noch ein bisschen weiter runtergehen? Sie können uns sowieso nicht sehen.“
Er gehorchte und ermöglichte es mir, die
Szene im Detail zu beobachten. Während ich die örtlichen Hässlichkeiten
musterte, informierte das System mich hilfsbereit über ihre Natur.
Auch in den Namen der Riesenbestie hatten
die Spielentwickler nicht allzu viel Ideenreichtum investiert. Sie war ganz
einfach ein Stampfer. Die fischköpfigen Affen hießen Sumpfmakis.
Laut Beschreibung war der Stampfer das
größte Monster dieser Gegend, die Sumpfmakis waren die tödlichsten. Sie waren
schnell und sehr schlau und jagten außerdem immer in der Horde.
Ihre Level ließen mich zum x-ten Mal daran
zweifeln, dass ich wirklich am richtigen Ort war. Die Sumpfmakis waren alle auf
Level 20, der Stampfer auf 30. Da hätte ich ja gleich direkt ins Niemandsland
gehen können. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht.
Während ich so mit meiner Nabelschau
beschäftigt war, überwältigten die fischköpfigen Winzlinge den brüllenden
Riesen Stück für Stück.
Ich zählte mindestens zehn von ihnen. Sie
waren schnell und geschickt. Offenbar steckte ein System hinter ihrem Angriff.
Sie hatten so etwas schon mal gemacht, so viel war sicher. Fünf von ihnen
klammerten sich am Rücken des Stampfers fest und versuchten, sich durch seine
dicke Haut und die kräftigen Muskeln zu beißen, die sein Rückgrat schützten.
Die anderen fünf huschten zwischen den Füßen des Monsters hin und her,
kreischten und schnappten mit ihren scharfen Zähnen zu.
Selbst ein Nerd wie ich ohne jedes
Jagdwissen konnte erkennen, dass sie versuchten, ihn abzulenken.
Die Bestie war eindeutig erschöpft,
versuchte aber trotzdem, ihre langen Reißzähne in die Angreifer zu schlagen.
Doch sie war zu langsam. In dieser Situation sollte sie sich entweder wenig
bewegen und versuchen, ihre Energie aufzusparen, oder sich in den Wald
zurückziehen, wo es den Affen schwerer fallen würde, sich zu bewegen. Aber die
Spielentwickler hatten wohl bei seinem Intellekt ein paar Abstriche gemacht.
Langsam veränderte sich sein Gebrüll und
klang mehr nach Wimmern. Die Makis kreischten vor Vergnügen: Offenbar hatte
einer von ihnen es endlich geschafft, die Kreatur ernsthaft zu verletzen.
Keine Ahnung, warum ich tat, was ich als
nächstes tat. Vielleicht war es die Hilflosigkeit des Riesen – oder das fiese
Freudengekreische der Makis, das mich an irgendetwas aus meiner Vergangenheit
erinnerte. Es spielte keine Rolle. Ich griff sie an.
In dem Augenblick, als ich den ersten
Kiesel in die Schlinge einlegte, wurde ich unangenehm überrascht. Eine neue
Nachricht erschien, die Buchstaben ätzend rot.
Warnung! Die Einschränkung „Luftangriff“
wurde aktiviert!
20 % Abzug für Schaden, der Zielen am
Boden zugefügt wird.
Wenn Sie weiter hochleveln und Erfahrung
sammeln, kann sich dies eines Tages ändern!
Was war denn das jetzt, Herrgott nochmal?
Was glaubten die, was sie da taten? Sie hatten uns mitten im Flug die Flügel
beschnitten!
Zuerst hatten sie mir diese lächerliche
Waffe gegeben, mich dann an diesen sogenannten Newb-Ort geschickt, und jetzt
das? Was für ein kranker Scherz war das denn?
Beruhig dich, sagte ich mir. Es hat keinen
Zweck, die Fassung zu verlieren. Denken wir logisch nach. Das mit der Schleuder
würde sich vielleicht später noch aufklären. Möglicherweise würde sie sich als
würdige Waffe erweisen, die genauso gut war wie ein kunstvoller Elfenbogen ...
jedenfalls hoffte ich das.
Den Ort würde ich mir nach dem Ausloggen
noch einmal genauer ansehen müssen. Sie konnten von einem Newb nicht erwarten,
dass er gegen Mobs kämpfte, deren Level 20-mal höher lag als der eigene.
Diese Einschränkung jedoch – alle Emotionen
mal beiseitegelassen und logisch gedacht – ergab mehr Sinn als alles andere
oben erwähnte. Als Level-0-Spieler musste ich ja Einschränkungen unterliegen.
Um es zusammenzufassen, wenn man sich an
der Gameplay-Logik orientieren konnte, erwarteten mich jede Menge Entdeckungen
und unangenehme Überraschungen.
Während ich so meine Gedanken aus dem Wust
von Informationen heraussortierte, ging der Stampfer bereits auf dem
Zahnfleisch. Digitales Zahnfleisch, aber trotzdem. Natürlich würde er über kurz
oder lang respawnen, aber das kam erst später – vorausgesetzt, ich griff nicht
ein. Das war nicht der richtige Augenblick, um über die Zukunft nachzusinnen.
Ich musste schnell handeln. Es mochte blöd klingen, aber wenn ich ihm jetzt
nicht half, würde ich viel Zeit haben, meine Unentschlossenheit zu bereuen.
„Boris, kannst du bitte eine Zeitlang über
ihnen kreisen? Langsam. Ich muss gut zielen.“
Ich fasste die Halterung der Schleuder mit
Daumen und Zeigefinger.
Die Schlinge spannte sich.
Meine Hand erstarrte neben meinem rechten
Auge.
Ich zielte.
Mein erstes Ziel hatte ich schon lange
ausgewählt: einen besonders frechen Maki, der seine Zähne in den Nacken des
Riesen vergraben hatte, und der über und über mit Blut aus einer durchtrennten
Arterie bespritzt war.
Bevor ich die Halterung losließ, lächelte
ich bei einem plötzlichen Einfall. Wirklich lustig. Die Schleuder war
tatsächlich die einzige Waffe, von der ich wusste, wie man sie benutzte. Ich verfügte
über eine ganze Kindheit lang angesammelte Erfahrungen.
Der glatte kleine Stein flog mit
unerwarteter Kraft aus meiner Hand und jagte ein kurzes Vibrieren meinen
Waffenarm entlang bis hinauf zur linken Schulter. Wow. So etwas war mir als
Kind nie passiert!
Mit einem kräftigen Knall wurde der kleine
Mistkerl, genau wie in jenem YouTube-Video, vom Hals des Stampfers
weggeschleudert.
Die Systemnachricht war eine weitere
Überraschung.
Sie haben einen Sumpfmaki auf Level 20
angegriffen.
Zugefügter Schaden: 40
Kämpfen Sie weiter!
Krass, wie viel? 40 Punkte? Hatte in
den Werten nicht irgendwas von einem Punkt oder so gestanden? Nicht, dass es
für den fiesen Winzling mit seinem Level viel Unterschied machte. Trotzdem, für
meinen Level 0 überstiegen 40 Schadenspunkte meine kühnsten Träume. Woran
konnte das gelegen haben?
Moment mal.
Ich wusste es! Ich war ja nicht nur
irgendein gewöhnlicher Level-0-Spieler, oder? Meine Ausrüstungswerte, die
mussten den Unterschied ausgemacht haben. Das waren die 116 Stärkepunkte
aus meinem Reflexions-Kit in Action. Und das auch noch mit der Einschränkung
von 20 %.
Natürlich hätten die Makis kurzen Prozess
mit mir gemacht, wenn ich da unten am Strand gestanden hätte. Aber für die
Sicherheit auf Boris‘ Rücken nahm ich den Verlust des beträchtlichen
Extraschadens nur zu gern in Kauf.
Nach der Beschreibung der Werte zu
urteilen, sollte mein Reittier einen Teil meiner EP erhalten, ohne dass sie mir
abgezogen wurde. Das Gleiche galt für Strolch. Also wäre es wohl keine
schlechte Idee, ihn ebenfalls zu beschwören. Er konnte auf Boris‘ Nacken sitzen
und durch Zuschauen lernen.
Strolch materialisierte sich auf meiner Schulter
und sprang sofort auf den Kopf seines großen Kumpels, ohne mich zu beachten.
Warum sollte er auch? Die Show, die sich unter uns abspielte, war wesentlich
faszinierender.
Mein Angriff war nicht unbemerkt geblieben.
Die Makis wussten, dass ich da war. Der, den ich getroffen hatte, war wütender
als die anderen: Ein paarmal hüpfte er sogar in die Luft, um uns zu erwischen.
Der konnte ganz schön hoch springen. Wäre
er intelligent genug gewesen, auf den Kopf des Stampfers zu klettern und seinen
Versuch von dort aus zu wiederholen, hätte er es vielleicht sogar geschafft.
Ich befahl Boris, etwas höher aufzusteigen.
Die säulendicken Hinterbeine des Stampfers
gaben unter ihm nach. Die Makis kreischten triumphierend. Für einen
Sekundenbruchteil hatten sie mich völlig vergessen. Die ganze Horde stürzte
sich auf das Monster.
Großer Fehler.
Mein zweiter Kieselstein traf den
Vordersten mitten zwischen die Augen, gerade, als er seine Zähne in die Kehle
des Stampfers schlagen wollte.
Sie haben einen Sumpfmaki auf Level 20
angegriffen.
Zugefügter Schaden: 35
Kämpfen Sie weiter!
Empört kreischend purzelte der Maki zu
Boden. Zu meiner Überraschung und Erleichterung stürzte sich der Stampfer sofort
wieder in den Kampf. Ein Schwung seines riesigen Kopfes, und der verwundete
Maki lag zerschmettert im Sand.
Das war‘s.
Einen hatten wir erledigt.
Ich muss sagen, die folgende Nachricht
freute mich.
Sie haben einen Sumpfmaki auf Level 20
getötet!
Sie haben Erfahrung erhalten!
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben die
Errungenschaft „David gegen Goliath“ erlangt.
Belohnung: +2 % auf durch Sie
zugefügten körperlichen Schaden
+1 % auf Ihre Chance, im Kampf Wissen
zu erlangen.
Das war noch ein Unterschied zu meinem
alten Grinder-Konto: Ich konnte jetzt Errungenschaften sammeln. In den Foren
wurde ausführlich über dieses wichtige Phänomen diskutiert. Wenn man die
Emotionen beiseiteließ und sich nur an die Fakten hielt, waren Errungenschaften
eines der heiligen Mysterien der Spiegelwelt. Niemand wusste, wie viele Arten
es gab, oder konnte eine Übersicht oder Einordnung über alle liefern. Das
Errungenschaftssystem schien wechselhaft und unvorhersehbar zu sein. Oder, wie
einer der alten Hasen es ausgedrückt hatte, hochgradig zufallsabhängig.
Sowohl meine grüne EP-Leiste als auch die
meiner Tiere füllte sich immer weiter. Das war ein gutes Zeichen. Ich schien
alles richtig zu machen.
Das Komische war, für meinen ersten Schuss
hatte ich keine EP erhalten. Offenbar reichte es nicht, ein Monster einfach nur
anzugreifen. Man musste den Kampf dann auch gewinnen. Verlierer erhielten keine
EP. Wenn der Stampfer es also geschafft hatte, mein erstes Ziel zu erledigen,
war das ausgezeichnet.
Der Verlust eines Hordenmitglieds musste
die anderen Makis daran erinnert haben, dass ihr Opfer noch gut in Form war.
Ich nahm mir vor, mich in Zukunft von dem Riesen fernzuhalten. Ich würde nicht
leichtfertig mit einer Kreatur umgehen, die einen Mob mit 1000 Lebenspunkten
mal eben wie eine Fliege zerquetschen konnte.
Der Stampfer machte das Beste aus dem
Zögern der Makis. Er kam wieder auf die Füße und taumelte auf den Wald zu.
„Gute Entscheidung, Kumpel. Da drin kriegen
dich diese Idioten nicht so leicht.“
Dem Kreischen der Makis nach zu urteilen,
gefiel ihnen diese neue Entwicklung ganz und gar nicht. Sie stürzten sich auf
den Stampfer und verdoppelten ihre Anstrengungen.
„Danke, dass ihr mir den Rücken zukehrt“,
sagte ich und schoss einen weiteren Kiesel ab, den größten, den ich hatte. Wie
eine zornige Biene bohrte er sich in den Hinterkopf meines ersten Zieles, als
dieses gerade am Bein des flüchtenden Stampfers hochkletterte.
Der Kiesel hatte den kleinen Mistkerl
50 Lebenspunkte gekostet.
Als er sich meiner Unterstützung bewusst
wurde, wirbelte der Stampfer herum. Mit einem Geräusch wie eine Saugglocke
stampfte er den verwundeten Maki mit dem linken Fuß tief in den Sand.
Zwei erledigt!
Meine EP-Leiste war bereits halb voll.
Ausgezeichnet. So macht man das.
Der verletzte Stampfer schien neuen
Auftrieb gewonnen zu haben. Er war wirklich in Fahrt. Zwei weitere Makis gingen
zu Boden. Wer hätte gedacht, dass er noch so viel Reserven übrig hatte!
Obwohl sie in den letzten paar Minuten fast
die Hälfte ihrer Horde verloren hatten, ließen die Makis nicht locker, auch
wenn sie jetzt etwas weniger enthusiastisch wirkten. Sechs sind eben nicht
zehn. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der Maki, den ich als erstes
angegriffen hatte, ihr Anführer gewesen war. Ohne ihn war ihre Attacke ziemlich
unkoordiniert. Das mussten sie sofort bezahlen: Ihr fünftes Hordenmitglied, das
versuchte, an die Kehle des Riesen heranzukommen, verloren sie an die kräftigen
Kiefer des Stampfers.
Ich suchte mir den Aktivsten von ihnen aus.
Er schien zu versuchen, seine Mitstreiter zu organisieren. Das musste ich den
Winzlingen lassen: Auch wenn sie die Hälfte ihrer Truppe verloren hatten, waren
sie immer noch in der Offensive.
Lautstark ließ ich das Gummiband schnalzen,
und mit einem schallenden Klatschen flog ein weiterer Stein aus meiner Schlichten
Schleuder, gefolgt von einem wütenden Quieken, als er sein Ziel traf.
Sie haben einen Sumpfmaki auf Level 20
angegriffen.
Zugefügter Schaden: 20
Kämpfen Sie weiter!
Nicht sehr großzügig, was? Offenbar hatte
der niedrige Schaden etwas mit der kürzeren Reichweite und dem kleineren
Geschoss zu tun. Für den Stampfer reichte das jedoch dicke. Kurzzeitig ohne die
Anleitung ihres neuen Anführers, verloren die vier übrigen Makis zwei weitere
Kämpfer an seine kräftigen Schläge.
Damit hatte sich der Fall. Jetzt waren wir
quasi vier gegen ihre drei. Wir waren in der Überzahl!
Bevor ich die Tatsache feiern konnte, kam
mein unerwarteter Verbündeter entweder wegen des Blutverlusts oder aus
Unvorsicht ins Straucheln. Es spielte keine Rolle mehr. Ich sah zu, wie er
unter dem aufgekratzten Gekreische der Makis langsam zu Boden ging.
Sie wedelten freudig mit den Vorderbeinen
und stürmten auf ihn los.
Ich weiß nicht, was über mich kam.
Wahrscheinlich war ich wütend, dass es mir nicht gelungen war, ihm zu helfen.
Oder nur sauer auf ihn, weil er so einen blöden Fehler gemacht hatte, gerade
als der Sieg in Reichweite war. Ich weiß wirklich nicht.
In einer langen Salve schoss ich alle
übrigen Kieselsteine ab. Ich musste nicht einmal zielen: Sie waren alle auf
Armeslänge Abstand zueinander.
Natürlich waren meine Steine für sie nur
wie Mückenstiche. Trotzdem erfüllten sie ihren Zweck. Und wieder schaffte es
der Stampfer, mich zu überraschen. Mit einem verzweifelten Ruck erhob er sich
auf die Hinterbeine und ließ sich dann auf die näherkommenden Feinde fallen.
Das war ihr Ende. Er hatte sie einfach
zerquetscht wie einen Schwarm Fliegen.
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben ein neues
Level erreicht!
Aktuelles Level: 1
Belohnung: +10 auf Wissen.
Aktuelles Wissen: 10/40
Herzlichen Glückwunsch! Sie haben eine
Errungenschaft freigeschaltet: Ein einziger Soldat kann die Schlacht
entscheiden.
Belohnung:
+1 % auf durch Sie zugefügten
körperlichen Schaden
+1 % auf Ihre Chance, Ihren Gegner im
Kampf bewusstlos zu schlagen
Ich sah meine Haustiere an. „Geht es euch
gut, Jungs? Unser erstes Blutvergießen.“
Pflichtschuldigst teilte das System ihnen ihre
jeweiligen EP aus. Wir entwickelten uns weiter! Ich war begeistert.
Ich streichelte Strolchs kleinen Kopf.
„Wisst Ihr was, Jungs? Ich glaube, so langsam fängt dieser Ort an, mir zu
gefallen.“
Boris zog ein paar Kreise über dem
bewegungslosen Stampfer und glitt dann nach unten. Ich wies ihn an, neben
meinem ersten getöteten Maki zu landen.
Von Nahem sahen sie sogar noch hässlicher
aus als aus der Ferne. Und dazu kam der unerträgliche Gestank nach verfaultem
Fisch. Bäh! Da spielte mir meine Fantasie wohl einen Streich.
Als ich mir den Maki genauer ansah, wuchs
in mir der Verdacht, dass die Spielentwickler nicht zu 100 % bei geistiger
Gesundheit waren. Die Kreatur war eine halbfertige Zeichnung eines
Fischmutanten, der mit seinem Eintritt in die Spiegelwelt offenbar in seiner
Entwicklung stehengeblieben war.
Ich unterdrückte einen Anfall von Übelkeit
und ging neben ihm in die Hocke. Also, was hatten wir denn hier? Meine erste
Belohnung ... oder besser gesagt Beute.
Erhaltene Gegenstände:
Ein Auge eines Sumpfmakis, 1
Ein Zahn eines Sumpfmakis, 3
Ein Schleimklumpen von einem Sumpfmaki, 1
Ich war überrascht, wie sauber der
eigentliche Vorgang war. Ich musste nicht in den Eingeweiden dieses hässlichen
Affenfischs herumwühlen. Das machte alles das System für mich. Sobald ich zugestimmt
hatte, diese Gegenstände aufzuheben, erschienen sie wundersamerweise in meiner
Tasche, während der Körper des Affen sich ins Nichts auflöste. Gut so. Keine
Ahnung, wie ich das ohne diese Funktion fertiggebracht hätte.
Ich untersuchte auch die übrigen sechs
Leichen und erhielt mehr Zähne, Schleim und andere widerwärtige Substanzen,
darunter ein paar Phiolen Sumpfmakigift. Ich hoffte nur, dass irgendwas davon
etwas wert war.
„Gut. Sieben durchsucht, jetzt kommt noch
der Letzte.“
Hätte Dimitri mich nicht erinnert, dass
alle erschlagenen Feinde nach Beute durchsucht werden mussten, hätte ich
niemals daran gedacht. Das war ganz schön gewöhnungsbedürftig. Aber das würde
ich schon hinkriegen. So, wie es aussah, konnte es gut sein, dass ich so etwas
hier recht oft tun würde.
Vorsichtig näherte ich mich dem Stampfer,
der bewegungslos auf dem Sand lag. Wer weiß, was er tun würde.
Ein paar Schritte von ihm entfernt blieb
ich stehen. Jetzt sah ich deutlich, dass mein Eingreifen von Anfang an sinnlos
gewesen war. Der Riese war von dem Augenblick an, als er angegriffen worden
war, verloren gewesen. Die Ränder der zahllosen Bisswunden, die seinen Körper
bedeckten, färbten sich zusehends schwarz. Das war wohl dem Gift der Sumpfmakis
geschuldet.
Der arme Riese erschauerte, sein breiter,
tonnenförmiger Bauch hob und senkte sich, während er mühsam seine letzten
Atemzüge tat. Es war ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchgehalten
hatte.
Seine rote Lebensleiste stand bei 80.
Offenbar ließ ihn irgendeine innere Kraft nicht in Frieden sterben.
Ich hob den Kopf zum Himmel. „Ihr da oben!
Hört schon auf, ihn zu quälen, ja?“
Niemand schien mich gehört zu haben. Und
wenn doch, saßen sie wahrscheinlich da und lachten sich schief.
„Ist schon gut, Dicker“, flüsterte ich und
grub die Hand in den Sand. „In einer Minute hast du es hinter dir. Oh ...
der hier sieht gut genug aus.“
Der große Kiesel war wesentlich schwerer
als die, die ich zuvor verwendet hatte. In der Halterung meiner Schleuder sah
er hässlich und unpassend aus. Ich achtete nicht darauf. Es war irrelevant. Ich
hoffte nur, dass das System ihn als passendes Geschoss anerkennen würde.
Ja!
Die Schlichte Taschenschleuder ist geladen!
Geschoss: ein Strandkiesel
Für den Zweck geeignet: Ja
Reichweite: + 0,1
Feuergeschwindigkeit: + 0,1
Präzision: + 0,1
Schaden: + 3,6 ... + 4,8
Das reichte. Auf diese kurze Distanz waren
weder Präzision noch Feuergeschwindigkeit wirklich wichtig.
Ich spannte den Gummizug.
Der Stampfer lag mit geschlossenen Augen
und immer schneller zuckendem Körper auf dem Sand.
Zeit, es zu Ende zu bringen.
Die Schleuder machte ein schnalzendes
Geräusch.
Das System überschüttete mich mit einer
Flut von Nachrichten, beglückwünschte mich zu meinen neuen Leveln, Belohnungen
und Errungenschaften.
Ich machte mir nicht die Mühe, sie zu
lesen. Ich war nicht in Stimmung. „Jetzt bist du erlöst, Kumpel.“
Automatisch nahm ich alles an Beute an, die
mir angeboten wurde.
Ich hätte wohl einige Zeit damit verbracht,
Trübsal zu blasen. Doch die Spiegelwelt war nicht der richtige Ort für solche
Gefühlsduseleien.
Hinter mir fauchte Boris drohend. Ich fuhr
herum.
Das Letzte, was ich sah, bevor die Lichter
ausgingen, war ein Paar trüber Fischaugen.
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Veröffentlichung am 25. Juni 2020
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